Keiner weiß, wie viele
Geheimnisse die Sellagruppe birgt.
Hier wollen wir aber eines
davon lüften und von einer ganz besonderen, wunderbaren Route erzählen, die man
in keinem Wanderführer findet.
Der
Aufstieg beginnt über die Kiesgrube oberhalb von Plan de Gralba, entlang eines
alten Hirtenpfads, in Richtung der Geröllhalden unter der Sella, bis wir die
Murfreit- Türme hinter uns lassen, die über unsere Schritte zu wachen scheinen.
An die Stelle von edelweißbedeckten Wiesen tritt nun eine Geröllhalde unter
gelben Felswänden. Wir genießen den majestätischen Anblick und das einmalige
Panorama: Col Rodella, Langkofel, Geislerspitzenund Stevia.
Nach weiteren zwei anstrengenden, aber befriedigenden
Stunden erreichen wir einen Durchgang zwischen porösen grauen Felsen, wo uns
die nächste grandiose Aussicht erwartet: Puez, Kreuzkofel und Tofane. Diese
Hochebene gleicht einer Mondlandschaft; ihre riesigen weißen Steine bewegen
sich unter unserem Gewicht, da sie ein Geheimnis bergen: In der Tiefe unter
ihnen befindet sich ein kleiner Gletscher! Wobei „klein“ vielleicht
untertrieben ist, wenn man bedenkt, dass er 40 Meter dick sein soll. Dies ist
allerdings von außen nicht erkennbar, da der Gletscher vom Erosionsgeröll der
darüber liegenden Felsen bedeckt ist.
In der Ferne erblicken wir schon das nächste Geheimnis,
nämlich den sagenumwobenen, geheimnisvollen Lech dl Dragon, der seinen
ladinischen Namen einer Sage verdankt.
Sie erzählt von einem Drachen, der diesen See bewohnte
und nur nachts und bei Vollmond verließ. Sein Geheul war bis zum Grödner Joch,
und manchmal sogar bis zur Mastlé-Hütte zu hören! Nach etwa einer halben
Stunde, in der wir von einem wackligen Stein zum nächsten springen, erscheint
uns der See wie eine Fata Morgana in der Wüste. Er ist über 100 Meter lang und
schimmert in hellem Türkis, der Farbe der Gletscherseen. Manchmal fällt ein
Felsblock vom oberen Ufer, von der gegenüberliegenden Seite löst sich ein
anderer und fällt mit einem dumpfen Plumps ins Wasser. Die Oberfläche spiegelt
die umliegenden Berge, und ein kleiner, schillernder Wasserfall durchquert den
Schnee. Es scheint, dass sich dieser See nicht jedes Jahr bildet, je nach Klima
und Permafrostboden.
Die
Geologen und Wissenschaftler des Amtes für Geologie der Provinz Bozen sind in
letzter Zeit auf die Megalodonten (Fossilien von Muscheltieren) aufmerksam
geworden, die in dieser Gegend gefunden wurden. Anhand von Grabungen wird nun
der Permafrostboden untersucht, um zu bestimmen, in welchem Erdzeitalter der
Gletscher gebildet wurde. All diese Studien erfolgen im Rahmen des
interregionalen Projekts „Permaqua“ zur Untersuchung der Gewässerökologie im
Hochgebirge. In der Nähe des Sees befindet sich auch eine Höhle, deren Wände
und Decke aus reinem Eis bestehen, mit einem schwarzen Stollen der wer weiß
wohin führt! Nach zweistündigem Abstieg durch die Val Culea erreichen wir das Grödner
Joch und gelangen an das Ende dieser
wundervollen, unvergesslichen Wanderung.
Aus dem Val Gardena Magazine ~ Ausgabe Januar 2013 Nr. 15
- Year 14
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